Saturday 23 January 2016

Willhelm Meisters Lehrjahre – Johann Wolfgang von Goethe 1998

Eine Geschichte von Bildung und Tätigkeit. Unterhaltsamerweise ist gerade der erste Teil über das Theater eine Lehrstunde für jeden der in der Werbung arbeitet.

“aber es ging mir, wie es den Kindern öfters zu gehen pflegt, sie fassen weiter Plane, machen große Anstalten, auch wohl einige Versuche, und esbleibt alles zusammen liegen. Dieses Fehlers muß ich mich auch anklagen. Die größte Freude lag bei mir in der Erfindung, und in der Beschäftigung der Einbildungskraft.“ (Goethe, 1998, p.118).

„Weil ein Gedicht entweder vortrefflich sein, oder gar nicht existieren soll.“ (Goethe, 1998, p.168).



„Sieh die Menschen an, wie sie nach Glück und Vergnügen rennen! Ihre Wünsche, ihre Mühe, ihr Geld jagen rastlos, und wornach? Nach dem, was der Dichter von Natur erhalten hat, nach dem Genuß der Welt, nach dem Mitgefühl seiner selbst in andern, nach einem harmonischem Zusammensein mit vielen oft unvereinbaren Dingen.“ (Goethe, 1998, p.168).

„Welche köstliche Empfindung müßte es sein, wenn man gute, edle, der Menschheit würdige Gefühle eben so schnell durch einen elektrischen Schlage ausbreiten, ein solches Entzücken unter dem Volke erregen könnte, als diese Leute durch ihr körperliche Geschicklichkeit getan haben; wenn man der Menge das Mitgefühl alles Menschlichen geben, wenn man sie mit der Vorstellung des Glücks und Unglücks, der Weisheit und Torheit, ja des Unsinns und der Albernheit entzünden, erschüttern, und ihr stockendes Innre in freie, lebhafte und reine Bewegung setzen könnte.“ (Goethe, 1998, p.189).

„Warum ist der Kapellmeister seines Orchesters gewisser, als der Direktor seines Schauspiels? Weil dort jeder sich seines Mißgriffs, der das äußere Ohr beleidigt, schämen muss.; aber wie selten hab’ ich einen Schauspieler verzeihliche und unverzeihliche Mißgriffe, durch die das innere Ohr so schnöde beleidigt wird, anerkennen und sich ihrer schämen sehen! Ich wünschte nur, daß das Theater so schmal wäre, als der Draht eines Seiltänzers, damit sich kein Ungeschickter hinauf wagte, anstatt daß jetzo ein jeder sich Fähigkeiten fühlt, darauf zu paradieren.“ (Goethe, 1998, p.284).

„Die Eigenliebe läßt uns sowohl unsre Tugenden als unsre Fehler viel bedeutender, als sie sind, erscheinen.“ (Goethe, 1998, p.308).

„Blindlings überließ er sich einer jeden Neigung, sie mochte über den Gegenstand gebieten oder sein Sklav sein, wenn sie nur im wilden Genuß ihrer selbst vergessen konnten.“ (Goethe, 1998, p.317).

„Es waren verständige, geistreiche, lebhafte Menschen, die wohl einsahen, daß die Summer unsrer Existenz durch Vernunft dividiert, niemals rein aufgehe, sondern daß immer ein wunderlicher Bruch übrig bleibe.“ (Goethe, 1998, p.333).

„allein er hatte Gelegenheit genug gehabt zu bemerken, daß es ihm an Erfahrung fehle, und er legte daher auf die Erfahrung andrer  und auf die Resultate, die sie daraus mit Überzeugung ableiteten, einen übermäßigen Wert, und kam dadurch nur immer mehr in die Irre. Was ihm fehlte, glaubt er am ersten zu erwerben, wenn er alles Denkwürdige, was ihm in Büchern und im Gespräch vorkommen möchte, zu erhalten und zu sammeln unternähme. Er schrieb daher fremde und eigene Meinungen und Ideen, ja ganze Gespräche die ihm interessant waren, auf, und hielt leider auf die Weise das Falsche so gut als das Wahre fest, blieb viel zu lange an Einer Idee, ja man möchte sagen an einer Sentenz hängen, und verließ dabei seine natürliche Denk- und Handelsweise, indem er oft fremden Lichter als Leitstern folgte.“ (Goethe, 1998, p.347).

„Wäre ich ein Edelmann, so wäre unser Streit bald abgetan; da ich aber nur ein Bürger bin, so muß ich einen eigenen Weg nehmen, und ich wünsche daß du mich verstehen mögest. Ich weiß nicht wie es in fremden Ländern ist, aber in Deutschland ist nur dem Edelmann eine gewisse allgemeinem, wenn ich sagen darf personelle Ausbildung möglich. Ein Bürger kann sich Verdienst erwerben und zur höchsten Not seinen Geist ausbilden; seine Persönlichkeit geht aber verloren, er mag sich stellen wie er will. Indem es dem Edelmann, der mit dem Vornehmsten umgeht, zur Pflicht wird, sich selbst einen vornehmen Anstand zu geben, indem dieser Anstand, da ihm weder Tür noch Tor verschlossen ist, zu einem freien Anstand wird, da er mit seiner Figur, mit seiner Person, es sei bei Hofe oder bei der Armee, bezahlen muß, so hat er Ursache etwas auf sie zu halten, und zu zeigen, daß er etwas auf sich hält.“ (Goethe, 1998, p.351).

„Ich hatte niemals einen Menschen ohne Schwäche gesehen, nur ist sie auffallender bei vorzüglichen Menschen.“ (Goethe, 1998, p.447).

„unter denen, die wir gebildete Menschen nennen, ist eigentlich wenig Ernst zu finden, sie gehen, ich möchte sagen, gegen Arbeiten und Geschäfte, gegen Künste, ja gegen Vergnügungn nur mit einer Art Selbstverteidigung zu Werke, man lebt wie man ein Pack Zeitungen liest nur damit man sie los werde.“ (Goethe, 1998, p.453).

„Uns rührt die Erzählung jeder guten Tat, uns rührt das Anschauen jedes harmonischen Gegenstandes; wir fühlen uns dabei, daß wir nicht ganz in der Fremde sind, wir wähnen einer Heimat näher zu sein, nach der unser Bestes, Innerstes ungeduldig hinstrebt.“ (Goethe, 1998, p.465).

„Alles was uns begegnet läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei; doch es ist gefährlich, sich davon Rechenschaft geben zu wollen. Wir werden entweder dabei stolz und lässig, oder niedergeschlagen und kleinmütig, und eins ist für die Folge so hinderlich als das andere. Das sicherste bleibt immer, nur das nächste zu tun was vor uns liegt, und das ist jetzt, fuhr er mit einem Lächeln fort, daß wir eilen ins Quartier zu kommen.“ (Goethe, 1998, p.466).

„Geht es doch unsern Vorsätzen, wie unsern Wünschen. Sie sehen sich so gar nicht mehr ähnlich, wenn sie ausgeführt, wenn sie erfüllt sind, und wir glauben nichts getan, nichts erlangt zu haben.“ (Goethe, 1998, p.525).

„Er wußte nicht, daß es die Art aller der Menschen sei, denen an ihrer innern Bildung viel gelegen ist, daß sie die äußern Verhältnisse ganz und gar vernachlässigen.“ (Goethe, 1998, p.526).

„aber wenn seine Bildung auf einem gewissen Grade steht, dann ist es vorteilhaft, wenn er sich in einer größern Masse verlieren lernt, wenn er lernt um andrer willen zu leben, und seiner selbst in einer pflichtmäßigen Tätigkeit zu vergessen.“ (Goethe, 1998, p.527).

„nicht vor Irrtum zu bewahren, ist die Pflicht des Menschenerziehers, sondern den Irrenden leiten, ja ihn seinen Irrtum aus vollen Bechern ausschlurfen zu lassen, ist die Weisheit der Lehrer.“ (Goethe, 1998, p.528).


„Wehe jeder Art von Bildung, welche die wirksamsten Mittel wahrer Bildung zerstört, und uns auf das Ende hinweist, an stattuns auf dem Wege selbst zu beglücken.“ (Goethe, 1998, p.535).

No comments:

Post a Comment